Iris schmeißt mit wutverzerrtem Gesicht den Kaffeebecher an die Wand, Andreas kauert schluchzend in der Ecke, und Marie starrt furchtsam das klingelnde Telefon an. Keine einladende Büroszene, das gebe ich zu. Haben die Leute etwa so etwas vor Augen, wenn sie behaupten, Emotionen hätten im Berufsleben nichts zu suchen?
Mir ist dieses Thema in letzter Zeit auffallend oft begegnet. Einerseits bei Führungskräften, die Schwierigkeiten haben, ihre Mitarbeiter zu erreichen und ‚mitzunehmen‘. Andererseits bei Menschen, die besonders gut bei ihren Kollegen ankommen – und sich trauen, Emotionen zu zeigen.
Fünf Gründe, aus denen es sich lohnt, Emotionen im Beruf zu zeigen, fallen mir sofort ein:
- Emotionen sind menschlich.
- Emotionen berühren.
- Emotionen zeigen Interesse.
- Emotionen geben Feedback.
- Emotionen erhöhen die Glaubwürdigkeit.
1. Emotionen sind menschlich
Wir sind emotionale Wesen, keine Maschinen – und keine Zombies. Emotionslose Wesen sind entweder gar keine ‚Wesen‘, sondern Roboter – oder es sind Horrorwesen. Egal, ob ich mit einem Kollegen, Mitarbeiter, Vorgesetzen, Kunden oder Nachbarn zu tun habe, es tut mir gut, wenn er sich als Mensch mit allem Drum und Dran und Drin entpuppt. Nur dann ist eine Beziehung möglich, das gilt auch für professionelle Beziehungen.
2. Emotionen berühren
„Jetzt hätte ich fast applaudiert“, sagte neulich jemand, nachdem seine Kollegin gewagt hatte, sich persönlicher als üblich im Kollegenkreis vorzustellen. Sie hatte es in kürzester Zeit geschafft, einen Draht zu ihren Kollegen zu bekommen, hatte sie verblüfft und fasziniert.
Wer Emotionen zeigt, löst auch bei anderen Emotionen aus. Da gehört Mut zu, natürlich. Vielleicht nutzt das jemand aus, vielleicht sind es andere Emotionen als beabsichtigt. Möglich, aber selten. Wie wollen Sie denn Begeisterung auslösen, Identifikation und Motivation fördern, wenn bei Ihnen nichts davon zu spüren ist? Darüber hinaus: Emotionen machen nicht zwingend sympathisch, aber Emotionslosigkeit macht definitiv nicht sympathisch.
3. Emotionen zeigen Interesse
Ich lebe nahe Bremen und staune immer, wie viele Emotionen es bei anderen auslösen kann, wenn Werder ein Tor schießt oder (derzeit häufiger) nicht. Fußball interessiert mich einfach nicht.
Wenn etwas oder jemand bei mir Emotionen auslöst, lasse ich mich berühren. Ich lasse das Thema oder den Menschen bis zu einem gewissen Grad an mich heran und interessiere mich. Wer mir egal ist, kann mich weder aufregen noch begeistern. Wenn meine Arbeit und meine Kollegen bei mir nichts auslösen, ist das also nicht das beste Zeichen. Wollen Sie als Führungskraft wirklich Gleichgültigkeit ausstrahlen?
4. Emotionen geben Feedback
Ab und zu erlebe ich Eltern, die glauben, sie dürften es nicht zeigen, wenn ihr Kind sie auf die Palme bringt. Echt nicht? Wie soll es denn lernen, wo seine Eltern ihre Grenze haben, was okay ist und was zu weit geht? Aber wir sind ja im Berufsleben, das sehe ich ein. Halt, da gilt doch etwas Ähnliches. Wenn mein Kollege Frust zeigt, weiß ich, dass wir Erwartungen klären müssen. Wenn er Freude zeigt, weiß ich, dass etwas gelungen ist. Wenn er gar nichts zeigt, weiß ich nichts – und fühle mich möglicherweise ziemlich wirkungslos.
Ich meine, dem anderen etwas Gutes zu tun, und er reagiert verärgert oder enttäuscht? Dann war es wohl nicht das, was er brauchte oder erwartet hat. Ich reiße einen super Witz und die Kollegen rollen nur mit den Augen? Dann war es wohl für sie nicht witzig oder sie haben gerade keine Zeit für Witze. Wie auch immer, ich bin von falschen Annahmen ausgegangen und bekomme das sofort zu spüren. Wie gut. Jetzt kann ich fragen, klären, verändern, abstellen, was immer dran ist.
5. Emotionen erhöhen die Glaubwürdigkeit
Emotionen drücken sich unter anderem in der Mimik, der Stimme, der Haltung und in den Worten aus. Raten Sie, was wir glauben, wenn uns jemand mit enttäuschtem Ausdruck sagt, er sei total zufrieden mit unserer Arbeit. Richtig, wir glauben der Körpersprache mehr als den Worten. Sagt jemand das mit neutralem Blick und monotoner Stimme, nehmen wir es ihm immer noch nicht ganz ab. Erst wenn der emotionale Ausdruck das Gesagte unterstreicht, sind wir überzeugt.
Unprofessionell: Handeln im Affekt
Unprofessionell ist es in den meisten Fällen nicht, Emotionen zu zeigen, sondern nur, das eigene Handeln spontan, unreflektiert und unkontrolliert von ihnen bestimmen zu lassen. Es kann sehr vernünftig sein, erst einmal eine Nacht über den Ärger zu schlafen, weil die Emotionen gerade so hoch kochen, dass ich um mich schlagen oder verbal unter der Gürtellinie landen könnte.
Etwas Abstand hilft mir zu überlegen, ob die jeweilige Emotion überhaupt angemessen ist und ob sie in ihrer Intensität angemessen ist. Vielleicht war der Kollege an diesem Tag einfach schon der Dritte, der mir quer gekommen ist, nachdem ich sowieso zu kurz geschlafen habe, weil meine verwirrte Tante angerufen hat, für die ich dringend ein Pflegeheim finden muss …
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